Kennen Sie die Geschichte Ihres Hauses?

München Geschichten Dobriner Laura (geb. Drey), Drey Henriette

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Arcistraße 32, 80799 München (heute Staatliche Museum Ägyptischer Kunst)

Auf dem Areal, auf dem sich heute das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst befindet, sollte ab 1938 ein Kanzleigebäude der NSDAP errichtet werden. Hierfür wurden die Besitzer der Wohnhäuser an der Gabelsberger- und Arcisstraße enteignet und sämtliche Gebäude abgerissen. So auch das Haus auf der Arcisstraße 32 (die Hausnummernfolge hat sich seither geändert), das dem Ehepaar Isaak und Maria Drey gehörte.

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ERINNERUNGSFILM AN DIE FAMILIE DOBRINER, FAMILIE DREY, FAMILIE HERMANN UND ERNST DARMSTÄDTER von Sylvia Schoske und Roxane Bicker

“Der Ägypter selbst hat ja sehr viel dafür getan um in Erinnerung zu bleiben und unsterblich zu werden. Deshalb ist es ganz wichtig gewesen, dass die Namen nicht in Vergessenheit geraten”, so Sylvia Schoske. “Als Ägyptologe setzt man sich sozusagen von Beruf her mit dem Gedenken auseinander”.

Weniger Münchner wissen, dass auf dem Gelände des Museums in der NS-Zeit ein monumentaler Bau für die Verwaltung der NSDAP geplant war – also mussten die Bewohner weg. Mehr dazu in dem 5-minütigen Kurzfilm.

Enteignet und vertrieben haben Ernst Darmstädter an der Arcisstraße 28 und Nachbarin Laura Dobriner und Henriette Drey es nicht überlebt. Darmstädter nahm sich, nach dem Novemberpogrom 1938 das Leben. Drey und Dobriner starben im Konzentrationslager Theresienstadt.

Wir danken dem Ägyptischen Museum München, Sylvia Schoske und Roxanne Bicker & allen an dem Film Beteiligten. Film: Severin Vogl.

Nicht weit entfernt stand auch die Villa Pringsheim, wo eine wohlhabende deutsch-jüdische Familie aus Schlesien, lebte. Es gehörte Alfred Pringsheim. Er war der Vater von Katharina Pringsheim, der hochkultivierten feministischen Ehefrau des Schriftstellers Thomas Mann / Foto aus dem Stadtarchiv München
Nicht weit entfernt stand auch die Villa Pringsheim, wo eine wohlhabende deutsch-jüdische Familie aus Schlesien, lebte. Es gehörte Alfred Pringsheim. Er war der Vater von Katharina Pringsheim, der hochkultivierten feministischen Ehefrau des Schriftstellers Thomas Mann / Foto aus dem Stadtarchiv München

Isaak und Maria Drey (geb. Rothenheim) hatten insgesamt fünf Kinder. Ihr Haus in der Arcisstraße 32 ging später in den Besitz ihrer Tochter Laura über.

Laura Dobriner heiratete am 30. Oktober 1900 Dr. phil. et chem. Paul Dobriner, der 1886 in Königsberg promoviert hatte. Die beiden bekamen zwei Söhne (Georg Hermann und Konrad Dobringer). Dr. Paul Dobringer war ein höchst erfolgreicher Chemiker, der fast seine ganze berufliche Laufbahn als Abteilungsleiter des Analytischen Laboratoriums bei den I.G. Farben in Leverkusen arbeitete. Da Dr. Paul Dobriner unter Depressionen litt, konnte er seiner Arbeit am Ende über Monate hinweg nicht nachgehen, zog mit seiner Familie 1924 zurück nach München und wurde 1926 schließlich pensioniert. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er schwer erkrankt in verschiedenen Heil-und Kuranstalten und starb 1933 mit 69 Jahren in der Heilanstalt Eglfing-Haar. Das Direktorium der I.G. Farben widmete ihm nach seinem Tod eine würdigende Todesanzeige (in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ 46. Jg. 1933, Nr.10, S. 160).

Laura Dobriner wohnte bis 1934 zusammen mit ihren Söhnen und ihrer Schwester (Henriette Drey) in ihrem Elternhaus in der Arcisstr. 32, bis dieses im April 1934 von der NSDAP beschlagnahmt wurde. Die inzwischen verwitwete Laura Dobringer musste nun mehrere Male in München umziehen. Dazwischen lebte sie auch zeitweise in Füssen im Allgäu und in Ragusa (heute Dubrovnik), bis sie wieder in München (in der Franz-Josephstr. 15 bei Familie Selz) unterkam und schließlich in der Widenmayerstr. 6 in einer Pension landete. Im Dezember 1941 wurde sie in das Lager in Milbertshofen zwangsumgesiedelt und von dort am 1. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 7. Juli ermordet wurde.

Henriette Drey wurde nach mehreren Zwangsumsiedlungen hoch betagt nach Theresienstadt deportiert und dort am selben Tag wie ihre Schwester ermordet.

Konrad Dobriner
Konrad Dobriner

Die beiden Söhne Konrad Dobriner und Georg Hermann Dobriner überlebten den Nationalsozialismus.

Konrad Dobriner (* 1902) wurde Arzt und ein bedeutender Endokrinologe. Er absolvierte 1925 sein Medizinstudium erfolgreich in Freiburg und wurde daraufhin auch in zwei Fächern promoviert (am 7. Juli 1933 an der Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität im Fach Medizin). Am 17. Mai 1934 wanderte Konrad nach New York aus, wo er am 10. März 1952 verstarb. Im British Medical Journal vom 29. März 1952 (S. 715) ist ein Nachruf auf ihn zu finden,

Einwanderungsbescheinigung in die USA von Konrad Dobriner
Einwanderungsbescheinigung in die USA von Konrad Dobriner

Georg Dobriner emigrierte bereits 1933 in die USA und starb am 30.06.1992 in Santa Barbara, Kalifornien. Er heiratete Takie Dobriner. Die beiden haben keine Kinder hinterlassen.

Einwanderungsbescheinigung in die USA von Georg Dobriner
Einwanderungsbescheinigung in die USA von Georg Dobriner

Das Haus

Nicht weit entfernt von dem Wohnhaus der Familie Drey/Dobriner stand auch die Villa Pringsheim, wo eine wohlhabende deutsch-jüdische Familie aus Schlesien, lebte. Sie gehörte Alfred Pringsheim. Er war der Vater von Katharina Pringsheim, der hochkultivierten feministischen Ehefrau des Schriftstellers Thomas Mann

Nach der Beschlagnahmung durch die NDSAP 1934 sollte das ganze Areal rund um den Königsplatz zum Parteiviertel werden und die dort befindlichen Wohngebäuden entlang von Arcis- und Gabelsbergerstraße, inklusive des Hauses der Familie Drey/Dobriner und der Villa Pringsheim, wurden abgerissen.

An ihrer Stelle war ein fünfstöckiger Bau mit mehreren Trakten und einer Länge von 180 Metern geplant. Als die Bauarbeiten an der Parteikanzlei schließlich wegen des Krieges eingestellt wurden, waren lediglich die unterirdischen Bunkeranlagen (mit vier Meter dicken Wänden aus Stahlbeton) fertiggestellt. Zwischen 1965 und 1970 wurde das Grundstück mit Institutsgebäuden der Technischen Universität teilweise überbaut. Im Zuge des Neubaus für das Ägyptische Museum und die Hochschule für Fernsehen und Film wurden ab 2007 die Institutsgebäude abgerissen und die Bunkeranlagen gesprengt. Im Foyer des Museums weist eine Informationstafel auf die Geschichte des Geländes hin.

Haupteingang zu Staatliche Museum Ägyptischer Kunst / Foto von Marianne Franke
Haupteingang zu Staatliche Museum Ägyptischer Kunst / Foto von Marianne Franke

Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst platzierte am 23. Oktober 2020 sechs Stolpersteine vor und im Gebäude an der Gabelsbergerstraße. Das Museum will mit diesen Stolpersteinen an die früheren Bewohner der Umgebung und ihr Schicksal in der NS-Zeit erinnern. Die Verlegung ist dem Ägyptischen Museum seit Langem ein Anliegen, um auf dem heutigen Standort des SMÄK die Spuren dieser Zeit im Sinne einer Archäologie unserer Zeit zu vergegenwärtigen. Die Verlegung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Künstler Gunter Demnig und der Initiative Stolpersteine für München e.V.

Stolpersteineverlegung vor dem Staatliche Museum Ägyptischer Kunst am 23 Oktober 2020
Stolpersteineverlegung vor dem Staatliche Museum Ägyptischer Kunst am 23 Oktober 2020

Das ehemalige Haus Arcisstr. 32 und seine Bewohnerinnen und Bewohner

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Paul Dobriner

* 17. August 1863
† 2. März 1933 in der Heilanstalt Eglfing-Haar

Laura Dobriner (geb. Drey)

* 23. November 1871 in München
† 7. Juli 1942 in Theresienstadt

Henriette Drey

* 05.05.1873 in München
† 7. Juli 1942 in Theresienstadt

Konrad Dobriner

* 14.10.1902 in Elberfeld
† 10. März 1952 in New York

Georg Hermann Dobriner

* 28.10.1903 in Elberfeld
† 30.06.1992 in Santa Barbara, Kalifornien

(Alle Texte sind aus der Pressemitteilung des Staatliche Museum Ägyptischer Kunst)

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