Kennen Sie die Geschichte Ihres Hauses?

München Geschichten Gutman, Sofie & Emanuel

Lindwurmstraße 205, Textilhaus Gutman

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“Im Rahmen der Renovierungsarbeiten in unserem Haus im Jahr 2000 entdeckten wir in den Bauakten der Münchner Lokalbau-Kommission den Hinweis: “dem Juden Gutmann gehörig” und darunter einen Stempel mit einem Hakenkreuz und dem Schriftzug “München – Hauptstadt der Bewegung”, erklärt die jetzige Eigentümerin des Hauses in der Lindwurmstraße 205.

Haus in der Lindwurmstraße 205, in April 2020 / Foto von Susana F. Molina
Haus in der Lindwurmstraße 205, in April 2020 / Foto von Susana F. Molina

“Da ahnten wir, dass hier in unserem Haus großes Unrecht geschehen ist. Die weitere Recherche durch die Initiative Lernorte Sendling brachte die traurige Gewissheit, dass die früheren Eigentümer Sofie und Emanuel Gutman von den Nationalsozialisten entrechtet und ermordet worden waren.”

Sofie (geboren Marx) kam 1901 mit 23 Jahren aus Heilbronn und Emanuel Gutman 1893 mit 20 Jahren aus Gemmingen nach München – da ist zwischen 1897 und 1899 die Lindwurmstraße 205 schon in Bau – das Grundbuch vermerkt: Wohnhaus mit Wirtschaftslokalitäten, Verkaufsladen, Durchfahrt zum Stallgebäude mit Burschenzimmer und Heuboden, unterkellertem Hofraum. Die Wirtschaft hieß  „Frohsinn“.

Seit 1905, bereits verheiratet, ausgestattet mit Münchner Heimat- und Bürgerrechten, kauften Sofie und Emanuel Gutman 1910 die Lindwurmstraße 205 und eröffneten im Mai 1912 ihr Kaufhaus Gutman mit Kurz- Weiß- und Wollwaren.

Das Kaufhaus Gutman / Foto © Heutige Bewohnern
Das Kaufhaus Gutman / Foto © Heutige Bewohnern

In der Lindwurmstraße hatten Sofie und Emanuel Gutman nur ihr Geschäft. 1927 verzeichnet das Biographische Gedenkbuch der Münchner Juden erstmals dass eine Wohnadresse für die beiden in Nymphenburg an der südlichen Auffahrtsalle. Ab August 1931 lebten sie in der Tengstraße in Schwabing.

Drei Monate nach der Machtübergabe organisieren die Nazis den reichweiten Judenboykott gegen Kaufleute, Ärzte und Anwälte in April 1933 und damit der möglicherweise erzwungene “Verkauf“ des Kaufhaus Gutmann an Helferich. Denn Emanuel Gutman wird verhaftet, in das KZ Dachau verschleppt und unter Erpressung – nach dem Geschäft auch das Gebäude abzugeben – wieder freigelassen. Er kam – lt. eidesstattlicher Erklärung im Rahmen des sog. Wiedergutmachungsverfahrens – todsterbenskrank aus Dachau zurück.  Das „Kaufhaus Gutman“ in Sendling wechselte zum 1. April 1934 in arischen Besitz.

Das Kaufhaus unter dem Name Helferich / Foto © Heutige Bewohnern
Das Kaufhaus unter dem Name Helferich / Foto © Heutige Bewohnern

Ab dem erstem January 1939 ergibt sich auf ein Gesetz die Zwangsschließung jüdischer Betriebe und am siebzehnten January wird der Mieterschutz für Juden aufgehoben sowie andere Gesetze, die die Abgrenzung der Juden verursacht.  Am 24. September 1939 müssen die Gutmanns das Radio abgeben und im Mai 1940 bekommen sie das Telefon gekündigt.

Ab 15. September müssen sie den Judenstern tragen und, im gleichem Montat, nach mehrere Umzüge werden Sofie und Emanuel Gutmann werden aus der Elisabethstraße vertrieben und zwangsweise in das AH der IKG Kaulbachstraße 65 eingewiesen. Sofie ist 63 und Emanuel ist 68 Jahre alt.

In März 1942 werden Sofie und Emanuel Gutmann aus dem Altenheim der IKG in das Sammellager nach Milbertshofen an der Knorrstraße 148 deportiert. Drei Monate später werden sie in das KZ Theresienstadt am 23. Juni 1942 deportiert.

In 40 Transporten wurden insgesamt 1 600 Menschen von München in das KZ Theresienstadt deportiert. Von diesen 10. Transport, wo die Gutmans waren mit fünfzig andere Menschen, überlebten nur 2. Emanuel Gutman wurde im Oktober 1943 ermordet; er was 70 Jahre alt. Sofie Gutman wurde im Oktober 1944 ermordet; sie war 66 Jahre alt.

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